Regie Oliver Grüttner
BERLIN: Location Regie Produktion |
D 2022 | SPIELFILM | 55 MIN | BERLIN-PREMIERE
ML 2
PERFORMER | SCHUTZBEFOHLEN | 82 MIN
Synopsis
Tim steht kurz vor dem Abitur. Während seiner letzten Schultage geht er mit Freunden auf Partys, absolviert Prüfungen und hat sein erstes Date mit einer Klassenkameradin. Nachts dreht er Videos von sich, in denen er seine Männlichkeit inszeniert, seinem Hass auf Frauen freien Lauf lässt – und in denen er von seinen Plänen erzählt, am letzten Schultag Amok zu laufen.
Uraufführung 39. Filmfest München
Bio
Oliver Grüttner*1987 in Berlin, wuchs in Berlin und in Berkeley auf. Nach Tätigkeiten in der Filmindustrie, u.a. als Regieassistent bei „Oh Boy“, begann er 2014 sein Regiestudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin, wo er erste Kurzfilme realisierte.
Regiekommentar
Das Phänomen junger, weißer Männer, die sich ohne explizit politische oder religiöse Motive selbst radikalisieren und auf möglichst medienwirksame Art
Massenmorde begehen, erregte zum ersten Mal am 20. April 1999 meine Aufmerksamkeit. An diesem Tag wurde an der Columbine High-School in
Colorado der „moderne Amoklauf“ quasi erfunden. Die Tat erschien mir als völlig neue Dimension der Gewalt, erschütternd und unbegreiflich. Heute sind
vergleichbare Ereignisse bereits zur traurigen Normalität geworden und was als Amerikanische Krankheit begann, hat mittlerweile auch Asien, Russland,
Skandinavien und auch Deutschland infiziert.
Damals gelangte die Öffentlichkeit schnell zu einer Art Konsens, in dem die Täter als psychisch gestörte Opfer von Mobbing deklariert wurden. Nun haben unsere
analytischen Werkzeuge sich in den vergangenen zwanzig Jahren weiterentwickelt und wir stehen diesen Taten nicht mehr ganz so ratlos gegenüber. Die früher gängigen Thesen vom „geistig verwirrten Einzeltäter“ gelten allgemein als veraltet und vereinfacht. Dass in solchen Taten die unterschwelligen Strömungen und Konflikte unserer Zeit ihre grausame Entladung finden, ist keine besonders originelle These mehr.
In der gegenwärtigen, der aktuellsten Form die diese Taten angenommen haben, scheinen es mir vor allem Misogynie, Xenophobie und die vermeintlich geschwächte Vorherrschaft des weißen Mannes zu sein, die zum Ausdruck gebracht werden. Themen, die in subtilerer Form in unserer Gesellschaft und auch in unserem Alltag allgegenwärtig sind. Diese Verbindung zu unserem Alltag ist es, was ich filmisch verhandeln wollte.
Der Film soll ein Versuch sein, das oben beschriebene Phänomen als logischen Teil einer von hochproblematischen Tendenzen durchzogenen Gesellschaft zu zeigen. Die vermeintlich alltäglichen Szenen sind in dem Film genau so relevant wie jene, in denen das Thema explizit verhandelt wird. In der Ursachenforschung, erscheint es mir relevanter zu sehen, welche Verhalten der Täter und ihres Umfeldes von der Gesellschaft toleriert oder sogar belohnt werden als zu untersuchen inwiefern sie von einer gesellschaftlichen Norm abweichen. Wie die amerikanische Autorin Rebecca Solnit treffend schrieb: „Wir müssen aufhören diese Menschen als verrückt zu betrachten und sie stattdessen als besonders empfänglich für die hässlichsten Seiten unser Kultur verstehen.“