GOLDHAMMER

Regie, Buch André Krummel, Pablo Ben Yakov

BERLIN: Location Regie |
D 2023 | DOKFILM | 93 MIN | BERLIN-PREMIERE


Vorführungen am

SO 16.04, 20:30 City Kino Wedding
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Sa, 15.04. 21:00 Lichtblick-Kino
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Mit. 19.4. 20:15 Babylon 2
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Synopsis
Marcel Goldammer, schwuler Sex-Arbeiter im Ruhestand, will in die Politik und schnell nach oben. Nicht nur aus Überzeugung, sondern vor allem weil es geht. Und zwar bei den Neuen Rechten. Allerdings führt Marcel sein Leben weniger heimatverbunden als weltbürgerlich, weniger konservativ als queer, er ist nicht der typische „kleine Mann“, sondern ein Intellektueller ohne Studienabschluss und Lebemann mit Suchtproblemen. Geboren als deutscher Christ, lebt er heute als jüdischer Israeli in Tel Aviv und Berlin, liiert mit einem jungen Shanghaier, dessen scheinbar unendlicher Reichtum Marcels ausschweifenden Lebensstil ermöglicht. GOLDHAMMER blickt hinter die Fassade eines Millennials auf dem Weg zum Populisten und spürt einer Biographie nach, die widersprüchlicher kaum sein könnte – aber genau deshalb perfekt in unsere Zeit zu passen scheint.

Uraufführung 44. Filmfestival Max Ophüls Preis

Regie, Buch André Krummel, Pablo Ben Yakov Kamera André Krummel Schnitt André Krummel, Pablo Ben Yakov Ton Tobias Adam, Simon Peter Musik Marius Kirsten Producer Benjamin Leers Redaktion Marcus Vetter (SWR), Jens Stubenrauch (rbb) Produzent:in Benjamin Leers, Ümit Uludağ, Sebastian Lemke Produktion Glotzenoff Koproduktion Filmakademie Baden-Württemberg, Corso Film, Fruitmarket, SWR, rbb

Bio
PABLO BEN YAKOV  *1986 in Saarbrücken, kam als Kinderdarsteller zum Film und studierte Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg. ANDRÉ KRUMMEL * 1989 in Sangerhausen, studierte Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Sein gemeinsam mit Pablo Ben Yakov realisierter Film LORD OF THE TOYS gewann 2018 bei DOK Leipzig die Goldene Taube.

Regiekommentar

Als wir 2017 begannen uns Marcels Geschichte filmisch zu nähern, galt unser Hauptinteresse seinem unwahrscheinlichen Aufstieg: Als junger Homosexueller ins provinzielle Arbeitermilieu geboren, wirkt es wie ein Wunder, dass Marcel es nicht nur geschafft hat, an eine andere Welt zu glauben, sondern sie sich auch zu erschließen. Dass er ohne Schulabschluss heute fünf Sprachen fließend spricht – darunter Japanisch, Chinesisch und Hebräisch – sich ganz selbstverständlich auf verschiedenen Kontinenten zuhause fühlt, und stets zielsicher erreicht, was er sich vornimmt – sei es als Filmschauspieler zu arbeiten, Jude zu werden oder einfach einen Haufen Geld zu haben – ist tief beeindruckend. Marcel ist einer, der es scheinbar von ganz unten nach ganz oben geschafft hat.

Marcel beim Leben zuzuschauen, macht im ersten Moment wahnsinnig Spaß, ist bunt, absurd, extravagant und ekstatisch. Statt Alltag, ein nicht enden wollender Rausch durch die Unendlichkeit der Optionen. Je länger man den Blick aber hält, umso mehr Risse öffnen sich in der perfekten Oberfläche. Marcels Alltag ist konsequent gelebte Konsumkultur und steht deswegen für sehr viel
mehr als ein sonderbares Einzelschicksal.

In seiner Welt wird alles konsumiert: Körper, Substanzen, Identitäten. Und so kommt ein blonder, Christ aus der Pfalz als zionistischer Jude im Gaza-Krieg an, um gegen Araber zu kämpfen, liebäugelt anschließend als ehemaliges Opfer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit mit einer rassistischen Partei und wettert als schwuler Muster-Individualist in ultrarechten Käseblättern gegen „Gutmenschen“, „Geburten-Djihad“ und „Gender-Gaga“. Was Marcel als Protagonist so spannend macht, sind vor allem die Widersprüche, die er in sich vereint.

GOLDHAMMER kann als Porträt einer von Verunsicherung geprägten Zeit verstanden werden. Es geht um Politik, Religion, Populismus, Selbstdarstellung, um öffentliche Rollen und private Marotten, um Drogenkonsum und Sexarbeit. Gleichzeitig ist GOLDHAMMER eine Reflexion über das Filmemachen, über die Entstehung, Verwendung und Bedeutung von Bildern im 21. Jahrhundert, über Deutungshoheit und -Ohnmacht, über Realität und Fiktion und den Zusammenhang von Wünschen und Zwängen.

Die Filmfigur, Marcel Goldammer, ist gleichermaßen anziehend wie abstoßend. Man kann sich kaum einen Zuschauer vorstellen, der nicht in bestimmten Bereichen Schnittmengen und dennoch in anderen eine unüberbrückbare Diskrepanz zu ihm feststellen müsste. Er ist Extremist in allen Lebensbereichen, aber kein Verrückter. Seine Lebenswelt ist in unserer Realität verankert und hat deshalb mit uns zu tun, so fern sie uns auch erscheinen mag.