Regie Jan Peters
BERLIN: Location Regie Produktion |
D 2022 | DOKFILM | 100 MIN
Synopsis
Eine Tasche, gefüllt mit unbelichteten und zum Teil abgelaufenem Analog Filmmaterial: Der Filmemacher nimmt dies zum Anlass, einen Monat lang jeden Tag eine dreiminütige Rolle zu belichten. Neben der Verbindung von Alltäglichem und Politischem geht es ihm dabei vor allem um die Frage nach dem Bild und Filmgeschichte mit großem ‚G‘ betrachtet er mit gleicher Herangehensweise wie die eigenen Familienaufnahmen. Die Fragen danach, welche Bilder wann, mit welcher Technik, von wem und für wen hergestellt werden, ergänzt Peters mit Fragen nach der Relevanz von verwendetem Klebstoff und Montage. Alle 31 Filmrollen, aus denen Eigentlich eigentlich Januar besteht, kommentiert er – und wird immer wieder vom abrupten Ende der Rolle mitten im Satz unterbrochen.
Uraufführung 46. Duisburger Filmwoche
Bio
Jan Peters*1966 studierte an der HfbK in Hamburg und war Mitbegründer des Kollektivs ‚Abbildungszentrum‘. Er drehte zahlreiche preisgekrönte Kurz- und Langfilme, darunter ‚Dezember, 1-31‘, der in Duisburg den 3sat-Dokumentarfilmpreis gewann. Außerdem realisierte er Hörspiele und (Theater-)Performances.
Regiekommentar
Alles fing damit an, als ich beim Aufräumen meiner Rumpelkammer zwei Kühltaschen wieder entdeckte. Sie waren aus den 80ern, es gab sie als Werbegeschenk beim Einkauf grösserer Mengen analogen Filmmaterials dazu. Eine war von Kodak, die andere von Fuji. Beide sahen aus wie Farbfilme, die mit viel Luft aufgeblasen worden waren, so wie das in vergangenen Jahren auch bei Neuwagen oft zu sehen ist. Die von Kodak war wie ein 135er Kodakcolor II Farbnegativfilm mit 36 Aufnahmen gestaltet. Die von Fuji sah auch aus wie ein 135er, war aber keinem bestimmten Kleinbildfilm zuzuordnen. In den Taschen hatte ich seit Jahren oder eher Jahrzehnten unbelichtetes Super-8 und 16mm Filmmaterial gesammelt, das entweder bei eigenen Projekten übrig geblieben oder mir geschenkt worden war. Zum Teil war es stark überlagert, mehrfach waren unter „zu entwickeln bis“ Daten in den 1970er Jahren aufgestempelt. Diese Entdeckung hatte für mich etwas sehr Befreiendes, denn mit ihr entstand die Idee, dass ich völlig unabhängig, ohne Geld und Auftraggeber einen neuen Film anfangen könnte, in dem ich ein von mir vor Längerem erprobtes Prinzip erneut anwende: Einen Monat lang wollte ich jeden Tag eine Rolle von 3 Minuten belichten und dann Zuhause im Eimer mit einer Mischung aus Instantkaffee, Vitamin-C-Pulver und Waschsoda selbst entwickeln. 1998 und 1999 hatte ich das für meine Tagebuchfilme „November, 1-30“ und „Dezember, 1-31“ schon gemacht. Deshalb war gleich klar, dass das neue Projekt „Januar, 1-31“ heissen sollte. Und vielleicht etwas grössenwahnsinnig lagen mir auch die Titel der nächsten zehn Langfilme vor Augen, die ich noch zu drehen hätte, um meinen Beitrag zur Filmgeschichte zu vervollständigen: von „Februar, 1-28“ über „März 1-31“ bis „Oktober 1-31“. Dass es eine, oft nicht unbedeutende, Differenz zwischen Idee und Ausführung gibt, ist am von der Ausgangsidee abweichenden Titel „Eigentlich eigentlich Januar“ zu erkennen. Noch deutlicher wird es, wenn ich auf hinwiese, dass ich die ersten Aufnahmen für den Film, der damals noch „Januar, 1 -31“ hiess, bereits Anfang 2019 gedreht habe, den Film aber erst jetzt, Ende 2022 fertigstellen konnte. Bereits vor Ende Januar 2019 war klar, dass ich die ursprüngliche Idee nicht einhalten kann und den Titel in „Eigentlich Januar“ ändern muss. Etwas später wurde daraus „Eigentlich Januar, obwohl der Februar auch schon längst vorbei ist“ dann „… aber am 26. Mai, dem Tag der Europawahl will ich wirklich endlich fertig sein“ bis es schliesslich, mehr als zwei Jahr später zum endgültigen Titel kam. Einer der zahlreichen Gründe, warum ich die ursprüngliche Idee, einfach einen Monat lang jeden Tag eine Rolle Film zu drehen, nicht einhalten konnte, waren in gewisser Weise die Taschen von Kodak und Fuji und das durch sie ausgelöste Gefühl der Unabhängigkeit und Freiheit. Ich hatte den Film tatsächlich so frei und beschwingt begonnen, dass ich gar nicht genau hätte sagen können, was eigentlich das Thema sein würde. Recht schnell rückte dann das Bilder machen, sammeln, suchen, finden, verlieren, organisieren und archivieren in den Mittelpunkt. Aber das machte das Projekt deutlich aufwendiger, als von mir anfangs gedacht. Meine langjährige Sammlung „Lost Photos Found“ einzubauen war dabei noch das Einfachste. Bei den Familienfotos war es schon etwas schwieriger. Was dann die Kisten mit meinen eigenen Fotografien anging, war es vor allem eine Zeit und Geduldsfrage. Aber der Umzugskarton mit den über 3500 Fotos in mehr als 1000 Umschlägen, die vor 40 Jahren zum Wettbewerb „Jugend fotografiert 82“ eingereicht worden waren, war eine wirklich grosse Herausforderung. Alleine diese Bilder in eine dem Projekt angemessene Form, sprich auf eine Rolle von 3 Minuten, zu bringen, hat tatsächlich mehrere Monate in Anspruch genommen. Entsprechend gross war meine Freude als die Nachricht kam, dass mein neuer Film auf der Duisburger Filmwoche laufen und seine Premiere feiern wird. Denn dort war 1999 „Dezember, 1-31“ gezeigt worden, in dem ich in der letzten Einstellung im Cockpit eines Hubschraubers sitze. Genau dort beginnt auch „Eigentlich eigentlich Januar“: im Cockpit eines Hubschraubers. Und jetzt sieht es fast so aus, als wäre ich mehr als 20 Jahre lang einfach immer nur geflogen. Und so fühlt es sich eigentlich auch an. Ich hoffe nur, dass ich für „Februar, 1-28“ nicht wieder so lange fliegen muss.